Surrealismus und Anarchie

Datum/Zeit
Date(s) - 19/07/2002
20:00 - 22:00

Veranstaltungsort
Bibliothek der Freien im Haus der Demokratie

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Cadavre exquis [köstlicher Leichnam] von: Yves Tanguy, Man Ray, Max Morise, Joan Miró, ca 1926.
  Das berühmteste surrealistische Spiel verdankt seinen Namen dem ersten Satz,
  der mit seiner Hilfe geschaffen wurde: Der köstliche Leichnam trinkt den neuen Wein

Seit Bakunin hat es in Europa keinen radikalen Begriff von Freiheit mehr gegeben. Die Surrealisten haben ihn. [Walter Benjamin]

Das grösste revolutionäre und poetisch-künstlerische Experiment des 20. Jahrhunderts gegen die kapitalistische Herrschaft war unanfechtbar das surrealistische Experiment. Seit 1924, dem Erscheinungsjahr des ersten surrealistischen Manifestes, organisierte sich der Surrealismus. In der ganzen Welt bildeten sich surrealistische Gruppen, die von libertärem Geist und absolutem gesellschaftlichem Nonkonformismus durchdrungen waren. Allein die Revolte war ihnen schöpferisch. Politik bedeutete für sie Subversion. Subersiv wie L´amour fou – die wahnartige Liebe, die die rationalen und sozialen Zwänge zertrümmert. Sie beabsichtigten nichts weniger als die Auslösung einer Bewußtseins-Krise. Wie die Anarchisten stellten sie die grenzenlose Freiheit in den Mittelpunkt ihres Denkens. 1947 erschien in Frankreich die »Ode an Charles Fourier« [dt. Karin Kramer Verlag 1987], ein Gedicht Andre Bretons auf den grossen Sozialutopisten, »den Leuchtturm des Geistes«. Erst spät, zwischen 1951 und 1953, kommt es dann zu einer kurzen direkten Zusammenarbeit zwischen der anarchistischen Bewegung [Fédération Anarchiste] und dem organisierten Surrealismus. Den libertären Spuren des Surrealismus, der sich im »schwarzen Spiegel der Anarchie selbst erkannte«, wie A. Breton 1952 schrieb, soll hier gefolgt werden. (Vortrag und Diskussion)