Magnus Klaue: Wie sich Völker bilden

Datum/Zeit
Date(s) - 24/04/2009
Ganztägig

Veranstaltungsort
Bibliothek der Freien im Haus der Demokratie

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Not und Gemeinschaft in der anarchistischen Theorie des 20. Jahrhunderts

Attila

Die Nationen- und Staatskritik anarchistischer Theoretiker geht fast stets einher mit einem emphatischen Verständnis von »Gemeinschaft«, die wahlweise als »Volk«, »Kameradschaft« oder »Brüderlichkeit« vorgestellt wird. Anhand der Schriften Erich Mühsams und deren Kropotkin-Rezeption soll nachvollzogen werden, wie der anarchistische Gemeinschaftsbegriff mit seiner undialektischen Kritik der Abstraktionen des Staats und der Warenform, denen ein »gerechter« Tausch sowie »anschauliche« Lebens- und Produktionsformen entgegengehalten werden, nicht nur nolens volens regionalistische Vorstellungen von Gemeinschaft reproduziert, sondern »Gemeinschaft« nur als Notgemeinschaft zu fassen vermag, die sich unter dem Druck des Überlebenszwangs gegen den perhorreszierten Überfluß der Marktgesellschaft konstituiert. Demgegenüber entwickeln die Schriften Gustav Landauers einen Begriff des Anarchismus, der die Verallgemeinerung von Luxus und Genuß gegenüber der Reduktion von Gesellschaft zur Bedarfsgemeinschaft einklagt und nicht auf Liquidation, sondern auf Einlösung des bürgerlichen Autonomiegedankens zielt. Daß nicht Landauers, sondern Mühsams Gemeinschaftsmodell mittlerweile den Sieg davon getragen und sich unter dem Label des Poststrukturalismus als konsensfähiges Ideologieangebot verallgemeinert hat, soll abschließend an Deleuzes / Guattaris »Tausend Plateaus« gezeigt werden, die sich bis in die Metaphorik hinein als postmodernes Revival anarchistischer Theoriebildung lesen lassen. (Vortrag und Diskussion)