Eine Veranstaltung in der Bibliothek der Freien am Freitag, 19. März 2004 [Ankündigung ]
Für diejenigen, die den Ankündigungstext gelesen haben, ist es klar, dass es uns in erster Linie bei dieser Veranstaltung um eine interne Perspektivenbestimmung des modernen Anarchosyndikalismus geht, abgeleitet aus seiner bisherigen Konzeption und Geschichte, und nicht um eine generelle perspektivische Darstellung des Anarchosyndikalismus als Alternative zur bestehenden Gesellschaftsordnung oder zum Beispiel in Abgrenzung zu anderen sozialrevolutionären Konzepten – dass es eine Alternative ist, setzen wir voraus. Der Vortrag ist so konzipiert, dass er schon gewisse Grundkenntnisse über Historie und Ideengeschichte des Syndikalismus erfordert. Wir haben uns die Aufgabe gestellt, dem kritischen Umgang mit der historischen und gegenwärtigen Theorie und Praxis des Anarchosyndikalismus ein Gewicht zu geben und keinen Lobgesang auf ihn anzustimmen. Zur Diskussion über Revision und Neubestimmung wollen wir hier einen Anstoß geben.
Selbstverständlich sind die von uns geäußerten Überlegungen in diesem Zusammenhang rein subjektiver Natur und nicht repräsentativ für den deutschen Anarchosyndikalismus, namentlich die Freie ArbeiterInnen Union [kurz FAU], oder andere internationale Anarchosyndikalisten. Das ergibt sich schon bereits aus dem Thema an sich, da Perspektive stets Subjektivität beinhaltet und auf keinem wissenschaftlich überprüfbaren Fundament fußt.
Als in der FAU Organisierte, also kämpferische Elemente des »klassenbewussten Proletariats« – Harr, Harr -, wollen wir mit den angestellten Überlegungen einen Beitrag leisten, um sich über das schon länger vorherrschende marginalisierte Dasein des Anarchosyndikalismus mehr Klarheit zu verschaffen und damit die Grundlage bilden für einen Diskurs am heutigen Abend zur Revitalisierung seiner emanzipatorischen Potentiale.
Da Perspektiven eines Fundaments bedürfen, von dem sie ausgehen, bemühen wir uns um einen Aufbau des Vortrags in einer Weise, die diesen Anforderung gerecht wird. Deshalb steht am Anfang des Fahrplans durch den heutigen Abend ein kleiner Exkurs in die definitionstheoretischen Abgründe des Begriffes Anarchosyndikalismus und seiner teilweise synonym verwendeten Verwandten. Ganz im Sinne des Anthropologen Michel-Rolph Trouillot, der besagte, dass Geschichte deshalb von höchstem Stellenwert ist, weil wir ohne zu verstehen, welche Prozesse uns in die gegenwärtige Lage geführt haben, weder unseren Standpunkt bestimmen, noch in adäquater Weise Wege in die Zukunft skizzieren können – ganz in diesem Sinne, machen wir einen Abstecher zu historischen Aspekten, die unseres Erachtens relevant für die weitere Perpektivenbestimmung sind. Selbstverständlich erheben wir dabei keinen Anspruch auf eine vollständige Wiedergabe anarchosyndikalistischer Geschichte. Beruhend auf dieser Basis, wenden wir uns dem Hauptteil zu: eine Debatte über Perspektiven des Anarchosyndikalismus.
Wie schon gesagt, es geht uns um Diskussion, am besten eine lebhafte, folglich sind Zwischenfragen, Zwischenbemerkungen und einzuwerfende Diskussionsaspekte während unserer Darlegungen nicht nur erlaubt oder willkommen, sondern einkalkulierter Bestandteil davon. Quatscht also bitte soviel wie möglich dazwischen!
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Auserwählte Definitionen und Interpretationen
Bekanntlich ist der Begriff des »Anarchosyndikalismus« eine Wortschöpfung, die sich aus zwei Komponenten zusammensetzt und sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts etabliert hat. Die inhaltliche Substanz dieser Wortsynthese ist bis heute umstritten und das ihr zugrundeliegende Verständnis variierte bzw. variiert epochal und regional. Das Verständnisspektrum teilt sich im wesentlichen in einen Gebrauch des Terminus von tendenzieller Gleichsetzung des revolutionären Syndikalismus mit dem Anarchosyndikalismus, über eine eigenständige Definition des Anarchosyndikalismus als spezifische Variante innerhalb der gesamten syndikalistschen Bandbreite bis hin zur Interpretation des Anarchosyndikalismus als Ausdrucksform des Anarchismus.
Um zum Einstieg eine oberflächliche Definition aus dem Fremdwörterbuch des Hauses Duden zu zitieren, so ist Syndikalismus »eine zusammenfassende Bezeichnung für sozialrevolutionäre Bestrebungen mit dem Ziel der Übernahme der Produktionsmittel durch autonome Gewerkschaften.« Laut des selben Wörterbuches sei der Anarchosyndikalismus »eine sozialrevolutionäre Bewegung in den romanischen Ländern, die die Arbeiterschaft zu organisieren suchte und die Gewerkschaften als die einzigen effektiven Kampforgane betrachtete.«
Abgesehen davon, dass demnach der Anarchosyndikalismus ein Relikt aus vergangenen Zeiten sei, und beide Definition mehr als inadäquat sind, sollte doch der Aspekt der Reduktion des Kampfes auf gewerkschaftliche Mittel für den weiteren Verlauf des Vortrages im Hinterkopf behalten werden.
Der Sozialwissenschaftler Peter Lösche dagegen schreibt in seinem Beitrag für das »Wörterbuch Staat und Politik«, herausgegeben von Dieter Nohlen, unter dem Stichwort »Syndikalismus«: »In der sozialwissenschaftlichen und historischen Forschung sind Zusammenhang und Abgrenzung vom Syndikalismus umstritten. Fraglich ist, 1. ob der Syndikalismus eine vom Anarchismus weitgehend selbständige staatsoppositionelle und antikapitalistische Bewegung ist, 2. ob er derart von der Tradition des Anarchismus bestimmt worden ist, daß er lediglich eine seiner Varianten darstellt, oder 3. ob Anarchismus und Marxismus sich im Syndikalismus zu qualitativ Neuem verbunden haben.«
Auffällig bei Lösche ist, dass er keine Abgrenzung des bloßen »Syndikalismus« vom Anarchosyndikalismus bzw. eine eigene Definition von Anarchosyndikalismus vornimmt. Damit befindet er sich mehr oder minder in der selben Tradition wie die »Ikone« des deutschen Anarchosyndikalismus Rudolf Rocker, dessen revidierte Ausformulierung das typische Verständnis der Freien Arbeiter-Union Deutschlands [kurz FAUD] widerspiegelt -sozusagen ein Spezifikum des deutschen Anarchosyndikalismus. In seiner 1938 veröffentlichten Schrift »Anarchismus und Anarchosyndikalismus« setzt dieser gar den revolutionären Syndikalismus mit dem Anarchosyndikalismus gleich. Diesem Verständnis liegt zugrunde, dass Rocker die Ursprünge des Syndikalismus als revolutionäres Konzept auf den Baseler Kongress 1869 datiert, auf dem diese Konzeption vom anarchistischen Flügel der Ersten Internationalen, der Internationalen Arbeiter Assoziation [kurz IAA] eingebracht wurde. Folglich sei der Syndikalismus, unabhängig von anarchistischen Vordenkern wie Pierre-Joseph Proudhon, eine traditionelle Ausdrucksform des Anarchismus. Desweiteren formuliert er die Rolle der Gewerkschaften bzw. Syndikate wie folgt:
»1. Den Forderungen der Produzenten nach Sicherung und Anhebung des Lebensstandards Geltung zu verschaffen;
2. Die Arbeiter mit dem technischen Management der Produktion und des ökonomischen Lebens allgemein vertraut zu machen und sie darauf vorzubereiten, den sozioökonomischen Organismus in ihre Hände zu nehmen und nach sozialistischen Prinzipien zu gestalten.«
Dies findet sich inhaltsgemäß auch in den Statuten der wiederbelebten IAA wieder, die sich 1922/23 gründete und in Tradition der ursprünglichen Internationalen versteht. Letzterer Aspekt der Übernahme des gesamten sozioökonomischen Apparates durch die ArbeiterInnen ist wiederum für spätere Ausführungen von Relevanz.
Bzgl. des Verhältnisses von Anarchismus und Syndikalismus geht Rocker konform mit der Anarchistin Emma Goldman, die im Syndikalismus die ökonomische Seite des Anarchismus sah. Goldman wörtlich:
»Der Syndikalismus ist seinem Wesen nach der ökonomische Ausdruck des Anarchismus.«
Anders bei der Definition verfahren z.B. die beiden Geschichtswissenschaftler Marcel van der Linden und Wayne Thorpe, die ein mittlerweile standardisiertes Buch zur Geschichte des revolutionären Syndikalismus herausgegeben haben. In ihrem Vorwort zu »Revolutionary Syndicalism« schreiben sie, dass sie den Begriff »Syndikalismus« im weitesten Sinne verwenden und untergliedern ihn in verschiedene Varianten, unter denen der Anarchosyndikalismus eine spezifische Ausrichtung ist. Neben ihm existieren laut den Autoren: revolutionärer Industrialismus, revolutionäre Gewerkschaftsbewegung, Rätebewegung und »one big unionism«, im Deutschen auch als Unionismus bezeichnet. Wir wollen an dieser Stelle nicht näher darauf eingehen. Falls aber Unklarheiten bestehen, kann nachgefragt werden. Desweiteren konstatieren sie, dass dem Begriff »Syndikalismus« das Adjektiv »revolutionär« inhärent ist – von Ausnahmen wie in der franz. syndikalistischen Bewegung abgesehen.
Ein besonderes Augenmerk verdient für spätere Erläuterungen das Konzept des »Unionismus« [also »one big unionism«] wie es von den Industrial Workers of the World, den IWW in den USA – liebevoll Wobblies genannt – formuliert wurde. Das Konzept ging davon aus, dass der Kapitalismus in den USA ein höheres Stadium als in den anderen kapitalistischen Ländern erreicht hatte. Durch spezifische Veränderungen im ökonomischen Sektor, wie z.B. die früher vonstattengehende Taylorisierung, eine umfassende Rationalisierung der Industrie, habe es zu diversen weiteren Spaltungen in der Arbeiterklasse geführt.
Folglich intendierten sie, den Antagonismen zwischen z.B. Facharbeitern und unqualifizierten Kräften, ständig Beschäftigten und der »industriellen Reservearmee« entgegenzuwirken. Erforderlich sei deshalb eine Weiterentwicklung des Syndikalismus, angepasst an die gegebenen Verhältnisse, der die konventionellen Organisierungsbereiche erweitere und den Kampf besser kanalisieren könne. Diese Analyse von Spaltungsmechanismen als Instrumentarium des Kapitals und die abgeleitete Reaktion darauf wird im weiteren Verlauf des Vortrags noch eine Rolle spielen.
Damit schließen wir den definitorischen Abschnitt des Vortrags, aber nicht ohne ein kleines Schmankerl zu präsentieren. Höret selbst:
»Der Anarchosyndikalismus ist eine kleinbürgerliche, halbanarchistische Strömung innerhalb der Arbeiterbewegung, die von Frankreich ausging und in den Gewerkschaften hauptsächlich der romanischen Länder und Südamerikas Einfluß gewann. Wie der Anarchismus verneinte auch der Anarchosyndikalismus die Notwendigkeit des politischen Kampfes der Arbeiterklasse, die führende Rolle der Partei und die Diktatur des Proletariats. Er vertrat die Auffassung, daß die Gewerkschaften [Syndikate] durch einen Generalstreik der Arbeiter, [und man höre und staune] ohne Revolution, den Kapitalismus stürzen, die Produktionsmittel vergesellschaften und die Verwaltung und Organisation der Produktion in ihre eigenen Hände nehmen könnten.«
Jeder kann sich wohl denken, woraus dieser Firlefanz stammt: aus dem Philosophischen Wörterbuch [Leipzig 1987].
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Kommen wir nun zum historischen Teil.
Wichtig für eine Perspektivenbestimmung ist, dass man sich darüber klar wird, dass der Aufstieg des Anarchosyndikalismus zu einer Massenbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts als Reaktion auf spezifische Veränderungen in der kapitalistischen Ökonomie interpretiert werden muss.
Die wachsende Radikalisierung und der Trend zum Syndikalismus stand z.B. im Zusammenhang mit einer zunehmenden Urbanisierung durch die industrielle Konzentration und im anbetracht einer permanenten Kapitalakkumulation bei gleichzeitiger Stagnation der Reallöhne. Zusätzlich bildeten diverse Entwicklungen im Arbeitsprozess und den Arbeitsbeziehungen spezifische Bedingungen für zwei Kategorien der Arbeiterschaft heraus.
Der Stand von Gelegenheits-, Saison-, und Wanderarbeitern zum einen entfaltete sich u.a. aufgrund einer strukturell steigenden Arbeitslosigkeit. Dies implizierte eine spartenübergreifende Mobilität, die somit eine berufsübergreifende und nicht auf den Betrieb fixierte Organisierung notwendig machte.
Die Kategorie der Industriearbeiter zum anderen sah sich mit einer systematischen Entprofessionalisierung durch bestimmte Rationalisierungsprozesse konfrontiert. Hatten die Industriearbeiter zuvor noch ein relatives Machtmittel, indem sie den Produktionsprozess einigermaßen selbst kontrollieren konnten, wurden sie nun zu einem mechanischen Anhängsel der Produktion degradiert. Dies wiederum machte Kampfmittel der direkten Aktion, insbesondere Sabotage notwendig.
Dies u.a. brachte dem Syndikalismus einen enormen Zulauf, da solche Tendenzen zu einer Ablehnung der alten Strategien von Gewerkschaften und Arbeiterparteien führten, da diese wiederum den neuen Erfordernissen nicht gewachsen waren.
Ferner konnte der Generalstreik erst durch die wachsende Industrialisierung eine effiziente Waffe werden, zu deren Verwendung die weniger radikalen und tendenziell staatstragenden Gewerkschaften nicht bereit waren.
Um damit nur ein paar Faktoren zu nennen.
Im folgenden wollen wir nun auf zwei anarchosyndikalistische Organisationen eingehen, namentlich die spanische Confederacion Nacional de Trabajo [kurz CNT] und die argentinische Federacion Obrera Regional Argentina [kurz FORA].
Laut einigen syndikalistischen Analytikern, drücken sich in ihnen zwei unterschiedliche Verständisse bezüglich ihres Verhältnisses zum Anarchismus aus.
Alexander Schapiro, der in der Frühphase der IAA wichtige Sekretärsfunktionen einnahm, sagte einmal, dass die FORA nur eine anarchistische Bewegung auf einer Arbeitergrundlage sei, die CNT aber sei ihrem Wesen nach eine Arbeiterbewegung auf anarchistischer Grundlage. Darin erblickte er ein Grund für das Scheitern der FORA, während die CNT eine Kontinuität aufzuweisen habe.
Tatsächlich bestand in der FORA seit 1923 eine offizielle Verbindung von wirtschaftlicher Kampforganisation und spezifisch anarchistischer Organisation. Diese kritisierte den Syndikalismus der CNT, lehnte das Konzept vom Klassenkampf ab, und behauptete, die Grundlage der revolutionären Organisation läge nicht in der Lohnabhängigkeit, sondern im Prinzip der Rebellion gegen die Autorität.
Dies drückte sich u.a. folgendermaßen aus: »Wir wollen nicht vom Syndikat geistig beherrscht werden, wir wollen das Syndikat beherrschen …, es zur Propaganda, zur Verteidigung und zur Festigung unserer Ideen im Proletariat benutzen.«
Der italienische Anarchist Errico Malatesta, der dem Syndikalismus nicht unbedingt von grundauf feindlich gegenüberstand, ihn aber als revolutionäres Konzept ablehnte, ging wohl sicher mit solchen Äußerungen konform, da er forderte, die Anarchisten sollten in die Gewerkschaften gehen, um sie als Propagandafeld zu nutzen. Allerdings war er keineswegs mit dem Konzept der FORA einverstanden, da er eine rein von Anarchisten getragenen syndikalistische Organisation ablehnte und vehement kritisierte. Ein Hauptpunkt dieser Kritik war, daß manche anscheinend versuchen würden, Anarchismus und Arbeiterbewegung gleichzusetzen.
Bezüglich der Unterschiedlichkeit von Anarchismus und Syndikalismus im Verhältnis zur Arbeiterbewegung, schrieb der deutsche Anarchosyndikalist Helmut Rüdiger in seinem Aufsatz »Anarchosyndikalismus«:
»Grundsätzlich sei gesagt, daß der Anarchismus eine Lehre von der Befreiung des Menschen ist, die sich an Angehörige aller sozialen Klassen wendet, während der Syndikalismus die Erscheinungsform des Anarchismus im Rahmen der modernen Arbeiterbewegung darstellt.«
Es sei noch erwähnt, dass Schapiro die vollständige Fixierung der FORA und mancher spanischen Anarchosyndikalisten auf die Spontaneität als revolutionäres Moment kritisierte. Er dagegen vertrat die Vorstellung einer »bewussten Rebellion«, und meinte, dass die programmatische Unbeständigkeit mancher Anarchisten, wie z.B. die Formulierung »Das Programm des Anarchismus besteht im Anarchismus selbst, in seiner Idealität« lediglich seine Existenzberechtigung hatte, als die Bewegung noch in den Kinderschuhen steckte. Es gehe nämlich darum, »das Programm der revolutionären Forderungen permanent zu maximalisieren und das Endziel der integralen Emanzipation nie zu beschränken.«
Allgemein lässt sich festhalten, dass in den Jahren nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ein Niedergang der syndikalistischen Bewegungen zu verzeichnen ist. Ausnahmen bilden die spanische CNT und die schwedische SAC, deren Hochphase bis 1936/37 bzw. 1934 anhielt, sowie die französische Confederation General du Travail [kurz CGT], deren Niedergang und Zuwendung zur konventionellen Gewerkschaftsbewegung bereits um 1910 einsetzte. Die verschiedenen Faktoren, die zum Niedergang der einzelnen syndikalistischen Organisationen beitrugen, variieren regional, bedingen sich jedoch teilweise gegenseitig bzw. überschneiden sich.
Ein Faktor, der sich generell bei jedem Fallbeispiel feststellen lässt, jedoch nicht unbedingt die ausschlaggebende Ursache für die Marginalisierung bzw. Zerschlagung war, ist die Repression, mit der sie alle mehr oder minder konfrontiert waren. Entscheidender sind jedoch Aspekte anderer Art, auch wenn manche syndikalistische Bewegungen zweifelsohne an der Repression zugrunde gingen.
Z.B. bedingte sich die Abwendung vom syndikalistischen Kampf durch grundlegende sozioökonomische Veränderungen. Nachdem die nationalen ArbeiterInnenschaften während des Ersten Weltkriegs kämpferisches Bewusstsein entwickelten, waren die staatlichen und ökonomischen Eliten zu Konzessionen gezwungen. In diversen Ländern etablierten oder weiteten sich sozialstaatliche Strukturen aus, die zur Pazifikation der arbeitenden Bevölkerung beitrugen. In machen Ländern erzielten Implikationen wie z.B. des Fordismus ähnliche Effekte, die durch Schaffung sogenannter »gelber Gewerkschaften« oder dem Konzept der »corporate identity« die Einbindung der Arbeiterschaft vermochten.
Zusätzlich fällt der Niedergang in eine Periode, die einen Ausklang des revolutionären Kampfzyklus markiert und in einer Phase relativer Schwäche sozialrevolutionären Bewusstseins mündet – was natürlich nicht verallgemeinert werden kann. Nicht zu unterschlagen wäre, dass manche Bewegungen auch an ihren eigenen Widersprüchen scheiterten, was oftmals Vorstellungen von der anzuwendenden Strategie anlangte.
Insbesondere nach der russischen Oktoberrevolution gab es in vielen Ländern verheerende Spaltungen und Flügelkämpfe innerhalb der anarchistischen und syndikalistischen Bewegung. Viele, die in anbetracht der russischen Entwicklungen ein »pragmatischeres« Vorgehen favorisierten und die herrschaftslose, freie Gesellschaft nur noch zum Fernziel erklärten, wendeten sich dem Konzept einer revolutionären Arbeiterpartei zu. Dies sind selbstverständlich alles keine Kausalerklärungen.
Wie dem auch sei, Marcel van der Linden und Wayne Thorpe z.B. diagnostizieren dem revolutionären Syndikalismus nach seiner Hochphase drei Entwicklungsmöglichkeiten für eine syndikalistische Bewegung:
»1. an ihren Prinzipien festhalten – in diesem Fall würde sie unweigerlich vollkommen marginalisiert werden;
2. ihren Kurs völlig verändern und sich den neuen Bedingungen anpassen – in diesem Fall würde sie ihre syndikalistischen Prinzipien aufgeben müssen; oder
3. wenn diese beiden Alternativen ausschieden, sich auflösen, oder, was dem gleichkommt, in einer nicht-syndikalistischen Gewerkschaft aufgehen.«
Keine Frage, diese »Optionen, von denen jede letztlich tödliche Folgen haben mußte« [so van der Linden und Thorpe wörtlich], sind historische Realitäten des revolutionären Syndikalismus. Tatsächlich waren dies auch die einzigen eingeschlagenen Wege, ob sie jedoch vorherbestimmt waren, bleibt frag- und disskusionswürdig.
Die Diagnosen bekräftigend, ist es tatsächlich zu einer Marginalisierung aller Organisationen gekommen, die an ihrem Konzept festhielten.
Ein Beispiel für eine Kursänderung und Preisgabe revolutionärer Inhalte findet sich in der schwedischen SAC. Spätestens mit der Annahme ihrer neuen Prinzipienerklärung im Jahre 1952 wendete sie sich dem »reinen« Syndikalismus zu, begann sogar 1954, mit dem Staat zu kooperieren und trat drei Jahre später aus der IAA aus. Auch wenn sie weiterhin einen gewissen libertären Charakter pflegt, so ist sie dennoch eine Organisation, die tendenziell den konventionellen Gewerkschaften gleichkommt. Hierbei versucht sie sich in paradoxer Weise an der Verbindung von reformistischer Interessenorganisation und revolutionärer Ideenorganisation.
Van der Lindens und Thorpes Diagnosen befinden sich damit mehr oder minder im Einklang mit den revisionistischen Positionen solch schillernder Persönlichkeiten des Anarchosyndikalismus wie z.B. Rudolf Rocker und Helmut Rüdiger. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg äußerten sie in ihren Schriften zu den Möglichkeiten des Anarchosyndikalismus unter den veränderten Rahmenbedingungen, dass sie keine reelle Chance sehen, dass er in seiner alten Form wieder zu einer Massenbewegungen erstarken kann und befürchteten, dass er im Falle eines Festhaltens an seiner originären Konzeption zu einem toten Dogma erstarren würde.
In seiner 1947 veröffentlichten Schrift »Zur Betrachtung der Lage in Deutschland – die Möglichkeiten einer freiheitlichen Bewegung« liefert der zu diesem Zeitpunkt im amerik. Exil lebende, 74-jährige Rocker eine handvoll Vorschläge, welche Wege der Anarchosyndikalismus für eine erfolgsversprechende Praxis einzuschlagen habe. Dazu gehören:
- Betonung der Kulturarbeit [er verweist dabei u.a. auf das Wirken der »Gilde freiheitlicher Bücherfreunde«]
- Förderung und Propagandierung des Föderalismus-Gedanken auf allen Ebenen [dabei lehnt er sich an den »Bund der Föderalisten« des russ. Anarchisten Peter Kropotkin an]
- Zusammenarbeit mit anderen freiheitlich ausgerichteten Gruppen in Form eines Bündnisses; sowie
- Zusammenarbeit und Einbindung der genossenschaftlichen Bewegungen [auf deren Nähe zum Mutualismus-Konzept Proudhons er verweist]
Auffällig daran ist die Akzentuierung, aus dem Szeneghetto und der Selbstisolation auszubrechen. Weiterhin sei bemerkt, dass Rockers Tips, eine deutliche Rückschraubung der gewerkschaftlichen Komponente beinhaltet sowie eine partielle Abwendung von den traditionellen anarchosyndikalistischen Arbeitsfeldern hin zu einer Öffnung für andere Aspekte des sozialen und politischen Kampfes. Ähnlich wie sein Genosse und Kampfgefährte im schwedischen Exil, Helmut Rüdiger, kommt es bei ihm zu einer Wiederentdeckung des mutualistischen Gedankengutes von Proudhon. Die hier aufgeführten Aspekte stellen eine wichtige Grundlage für die weitere Perspektivenbestimmung dar.
Aktuell stellt sich die Situation so dar, dass mit Ausnahme der italienischen Unione Syndicalista Italiana [kurz USI] und der spanischen CNT – beides Sektionen der IAA – sowie der ukrainischen Revolutionären Konföderation der Anarchosyndikalisten [Kurz RKAS] alle revolutionären syndikalistischen Organisationen eine relativ marginalisierte bis gar keine Rolle in sozialen Kämpfen spielen, ohnehin nur äußerst geringe Mitgliederzahlen aufweisen und damit eher den Status einer Propagandagruppe einnehmen. Dennoch ist positiv zu bemerken, dass es in den vergangenen Jahren zu einer Welle von Neu- bzw. Wiedergründungen syndikalistischer Organisationen kam.
Was speziell Deutschland betrifft, so kam es zunächst 1945 zur Gründung der Föderation Freiheitlicher Sozialisten [kurz FFS], die sich aus vielen FAUD-Veteranen zusammensetzte und für die die Vorschläge Rockers von großer Bedeutung waren. Allerdings existierte sie nur bis 1960. Mitte der 60er Jahre erfolgte eine kleine Tendenz von einzelnen und kurzlebigen Anarchosyndikaten, bis 1977 die Initiative für eine Freie ArbeiterInnen Union das Licht der Welt erblickte, aus der die heutige FAU resultierte. Momentan ist auch die FAU von einem marginalisierten Status nicht ausgenommen, versucht sich aber im Rahmen ihrer limitierten Potentiale an diversen kleineren Kämpfen in Arbeits- und Lebensbereichen.
Laut Verfassungsschutzbericht waren der FAU im Jahre 2002 etwa 200 Anhänger zuzurechnen. Dennoch ist neben einem kleineren Trend von Syndikats- und Ortsgruppengründungen festzustellen, dass der Bekanntheitsgrad der FAU in den letzten Jahren spürbar angestiegen ist. Kritisch anzumerken ist, dass es oftmals so anmutet, als sei die FAU für viele lediglich ein Lückenbüßer für eine faktisch nichtexistente Anarchistische Föderation in Deutschland.
Wer sich einen Überblick über die Entwicklung des Syndikalismus seit 1945 verschaffen möchte, der sei auf die dreiteilige Artikelserie in den Ausgaben 159 – 161 der mit der FAU verknüpften Zeitung »Direkte Aktion« verwiesen. Allerdings stellt diese Serie lediglich ein Ansatz dar, ist doch der Blickwinkel absolut inadäquat, da er – insbesondere im dritten Teil über die Zukunftsperspektiven – eine rein ökonomistische und auf gewerkschaftliche Aspekte beschränkte Sichtweise präsentiert. Die Feststellungen Rockers quasi vollkommen ignorierend, fordert er z.B. indirekt eine orthodoxe Rückbesinnung auf das traditionelle, überholte Konzept.
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Basierend auf dieser historisierenden und theoretischen Grundlage, wenden wir uns nun den Perspektiven zu.
Es steht wohl außer Frage, dass der Anarchosyndikalismus in seiner klassischen Form ein anachronistisches Relikt ist, dessen Wiederbelebung in eben dieser Form nur von orthodox-dogmatischen Syndikalisten erträumt werden kann. Unter besonderer Berücksichtigung der Veränderungen im sozioökonmischen Gefüge, stellt sich die Frage, welche Neuausrichtung und damit verbundene Öffnung für weitere Tätigkeitsfelder vorgenommen werden muss. Exemplarisch beleuchten wir zwei Bereiche, die sich unterteilen in Aspekte einer generellen sozialrevolutionären Perspektive mit syndikalistischen Inhalten als Kontrapunkt zur Reduktion bzw. Nivellierung auf Gewerkschaftsarbeit sowie allgemeine Fragen organisatorischer Natur.
Wenn wir den Syndikalismus – so wie es Rocker formulierte und es auch in der Satzung der IAA festgeschrieben ist – als ein Mittel begreifen, um den sozioökonomischen Apparat selbstorganisiert zu übernehmen sowie diesen auf die Grundlage des libertären Kommunismus zu stellen und ihn nach diesen Prinzipien neuzugestalten, dann folgt daraus, dass aufgrund von Strukturveränderungen wie Entwicklungen sozialstaatlicher Art eine Vorgehensweise gefragt ist, die sich nicht ausschließlich auf eine ökonomistische Praxis wie gewerkschaftlicher Tageskampf, fixiert auf Arbeitsbedingungen und Lohnverhältnis, reduziert. D.h. in anderen Worten, die Realisierung der Forderung »Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen« zu suchen. Übrigens steht diese Forderung auch in der Prinzipienerklärung der FAU. Dort heißt es:
»Die Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen ist die grundlegendste Idee des Anarchosyndikalismus.«
Dies steht somit im Widerspruch zu dem aktuellen Trend, das syndikalistische Profil lediglich durch Gewerkschaftsarbeit und wirtschaftlichen Kampf – ein zweifellos essentieller Aspekt – zu bestimmen. Diese Reduktion birgt in sich jedoch die Gefahr einer Entpolitisierung und Verwässerung der revolutionären Perspektive. Es sei darauf verwiesen, dass es gerade die Arbeitsteilung zwischen den Gewerkschaften und der SPD in ökonomischen und politischen Kampf war, die zur Entradikalisierung der deutschen Arbeiterbewegung beigetragen hat, nur dass der jetzige syndikalistische Trend den »revolutionspolitischen« Aspekt anscheinend ganz für überflüssig hält.
Die Reduzierung auf den ökonomischen Kampf kritisierte auch Malatesta. Ausgehend davon, dass der Syndikalismus den Staat überflüssig machen möchte, ihn und die Wirtschaft mittels der Gewerkschaften entmachten und zerstören will, und schließlich den Gewerkschaften sämtliche Aufgaben des gesellschaftlichen Lebens übertragen werden soll, schreibt er folgendes:
»Natürlich müssen zu diesem Zweck die Produktivmittel […] Kollektiveigentum der untereinander föderierten Gewerkschaften werden.
Es ist hier nicht der Ort, dieses Programm zu diskutieren, sicher ist jedoch, dass man zu seiner Verwirklichung zuerst die Eigentümer des gesellschaftlichen Reichtums enteignen müsste, und da diese von der bewaffneten Gewalt des Staates geschützt werden, müsste man zunächst diese Gewalt besiegen. Und obwohl die Syndikalisten in der Theorie gerne behaupten, dass der Syndikalismus sich selbst genüge, sind sie dann in der Praxis gezwungen, entweder – durch Wahlen oder Gewalt – den Staat zu erobern und Sozialisten zu werden, oder ihn aber zu zerstören und Anarchisten zu werden.«
Ein Abschnitt aus Betrand Russels »Wege zur Freiheit« über den Kampf der IWW, würde zumindest Malatestas Behauptung untermauern. Darin schreibt er folgendes:
»Die IWW […] haben zahlreiche Streiks durchgeführt oder unterstützt. Diese Streiks zeigen den Klassenkampf in einer schärferen und extremeren Form, als man ihn in irgendeinem anderen Teil der Welt findet. Beide Kontrahenten sind auch bereit, Gewalt anzuwenden. Die Unternehmer haben ihre Privatarmeen; sie können die Miliz zur Hilfe rufen und im Krisenfall sogar die US-Armee. Dass der Staat eine von grundauf kapitalistische Institution ist, wie die französischen Syndikalisten behaupteten, hat sich in Amerika vielfach bestätigt;….«
Wie dem auch sei, während der Hochphase des Syndikalismus mag die ökonomistische Reduzierung durchaus noch Sinn gemacht haben, anbetrachts des durchökonomisierten Alltags, doch stellt sich die Situation durch die sozialstaatliche Realität heute um einiges komplexer dar. Als Beispiel sei der zu Entfaltung gelangte Bildungssektor genannt, der nur schwer unter rein ökonomischen Aspekten angegangen werden kann, stellt sich doch auch hier die Frage, welchen Teil er in einer freien Gesellschaft einnehmen wird. Was nicht heißt, dass es dabei keine ökonomische Seite gibt, schließlich kommt auch dem Bildungssektor eine Funktion in der kapitalistischen Verwertungslogik zu – aber der gewerkschaftliche Kampf, der ist nun mal nicht darauf übertragbar.
Diese Interpretationen führen uns zu dem Schluß, dass der Syndikalismus heute eigentlich die Aufgabe haben müsste, die Selbstorganisation in allen Bereichen, unabhängig von ihrem ökonomischen Gewicht, voranzutreiben – soweit dies auf die Befreiung der Gesellschaft vom Staat abzielt.
Interessant ist, dass die Förderung von selbstverwalteten und -organisierten Strukturen früher integraler Bestandteil der syndikalistischen Bewegung war. Gerade diese Schaffung eines alternativen sozialen Gefüges und von Freiräumen für selbstbestimmtes Leben noch in der vorrevolutionären Gesellschaft trug nicht unwesentlich zur Popularität des Syndikalismus bei. Einerseits dienten sie als Vorzeigeprojekte für die Möglichkeiten einer freien Gesellschaft und förderten Lernprozesse, andererseits schufen sie dort soziale Sicherungen, wo sonst eine Lücke des Elends klaffte.
Vollkommen unabhängig vom Syndikalismus wurden solche Aspekte in den 70ern und 80ern von Alternativebewegungen aufgegriffen. Diese jedoch wiederum negierten oder ignorierten den sozialen und politischen Kampf und führten daher ein Nischendasein, dass sich bequem unter den kapitalistischen Rahmenbedingungen eingerichtet hatte. Würde es der Syndikalismus schaffen, diese zur Zeit von ihm ignorierten Aspekte ebenfalls aufzugreifen und mit seinen Dimensionen des sozialen und politischen Kampfes zu paaren, so könnte dies eine Bewegung ganz neuer Qualität zur Folge haben.
Der schweizerische Libertäre P.M. schreibt in »Subcoma«, einem seiner bekanntesten Werke, über Alternativprojekte wie Kommunen folgendes:
»Ob sie aber eine Ablösungsstrategie für den Kapitalismus sein [können], ist fraglich. Dieser verträgt sehr viele Gemeinschaften in Nischen. Die Gemeinschaftsprojekte können also höchstens ein wichtiges illustratives Element einer breiteren Bewegung sein, die es noch zu definieren gilt. Gegenüber den etwas diffusen Projekten des Dritten Sektors haben die Gemeinschaftsprojekte den Vorteil, dass sie autonom bestimmte Räume bieten, eigentliche Kerne alternativen Lebens.«
Es ist ein berechtigter Einwurf, dass solche Konzepte der Alternativbewegungen wirklich nicht die etablierte Ordnung attackieren können. In Symbiose mit dem Syndikalismus aber würde dies – unter dem Aspekt des illustrativen Moments – zu einem bedeutenden Faktor anwachsen.
An dieser Stelle wollen wir eine Szene aus einem Filmklassiker zum Besten geben:
Artus Ihr guten Leute, ich bitt‘ euch, ich habe es eilig. Welcher Ritter wohnt dort in der Burg?
Alte Frau Da wohnt niemand.
Artus Aber wer ist dann euer Herr?
Alte Frau Wir haben keinen Herrn.
Artus Was?
Dennis Ich hab’s Euch doch gesagt, wir sind eine anarcho-syndikalistische Kommune, und jeder von uns fungiert abwechselnd als eine Art Exekutivbevollmächtigter der Woche.
Artus Ja …
Dennis Aber alle Entscheidungen dieses Bevollmächtigten …
Artus Ja, verstehe …
Dennis … müssen von der zweiwöchentlichen Vollversammlung bestätigt werden, mit einfacher Mehrheit bei rein internen Angelegenheiten …
Artus Schweig.
Dennis … aber mit Zweidrittel-Mehrheit …
Artus Schweig! Ich befehle dir, den Mund zu halten!
Alte Frau Befehlen, wie? Was glaubt er eigentlich, wer er ist?
Artus Ich bin euer König.
Alte Frau Also, ich hab Euch nicht gewählt.
Artus Könige werden nicht gewählt.
Alte Frau Und wie seid Ihr dann König geworden, mh?
Artus Die Dame des Sees, deren Arm in feinste Seide schimmernd gekleidet war, hob das Schwert Excalibur aus den Tiefen des Wassers empor, um also kundzutun, dass ich, Artus, durch göttliche Vorsehung bestimmt sei, Excalibur zu tragen … Darum bin ich euer König.
Dennis Hört mal, komische Frauen, die rücklings in Teichen liegen und Schwerter austeilen – das ist doch keine Basis für ein Regierungssystem. Die höchste Exekutivgewalt muss einem Mandat der Massen entspringen und nicht irgendeiner possenhaften Wasserzeremonie.
Freunde des britischen Humors werden diesen Dialog kennen. Er entstammt dem Film »Die Ritter der Kokosnuss« der Komikertruppe Monty Python – und das Schlagwort lautet anarchosyndikalistische Kommune.
Denn ein Beispiel, wenn auch ein kleines, für die erfolgreiche Einbindung einer selbstbestimmten Kommune in den syndikalistischen Kampf stellt das spanische Gemeinschaftsprojekt Manzanares dar. Dieses wurde 1992 gegründet und ist als Kollektiv Mitglied in der CNT. Zu ihren Tätigkeitsfeldern gehört, Archivbestände der CNT zu verwalten, eine anarchistische Frauenzeitung herauszubringen und eine Bibliothek zu betreiben, während sie simultan versuchen, durch Texte und Vorträge über unterschiedliche Aspekte, von Landbesetzungen über Patriachatskritik bis hin zu Antipädagogik, innerhalb der anarchosyndikalistischen Bewegung zu wirken. Bestandteil ihres Selbstverständnisses ist, den libertären Kommunismus zu leben, wie es die gegebenen Umstände zulassen.
Leider steckt hierbei eine theoretische Ausformulierung über die Synthese von Kommuneleben und Syndikalismus von beiden Seiten – sowohl Manzanares als auch der CNT – noch in den Kinderschuhen. Während in der anarchistischen Bewegung eine Tradition vorhanden ist, den Aspekt der Einbeziehung von Kommunen in ihren Weg zur Realisierung der Utopie zu thematisieren und überprüfen, scheint der Syndikalismus dies bisher als irrelevant zu vernachlässigen.
Eine Vorstellung von erfolgreicher Verbindung von Kommunebewegung und Anarchosyndikalismus könnte z.B die wirtschaftliche Föderierung auf syndikalistischer Grundlage innerhalb von Kommuneverbänden sein. Ein Ansatz in diese Richtung stellte z.B die spanische »Federacion Anarchista de Collectividades del Campo« [kurz FACC] dar, die Anfang der Neunziger kurzzeitig bestand und sich im Aufbau solch ähnlicher föderaler Strukturen versuchte.
Wie schon erwähnt stellt dies allein natürlich noch lange keine Ablösungsstrategie für den Kapitalismus dar, ist aber in Hinsicht auf das illustrative Moment von großer Bedeutung, kann dies doch zum Erfahrungsgewinn hinsichtlich einer zukünftigen Organisierung der Ökonomie beitragen wie auch als praktikables Beispiel einer »lebendigen Negation« dienen, wie sie von Herbert Marcuse in »Der eindimensionale Mensch« aus einem soziologischen Hintergrund als Notwendigkeit revolutionärer Bewusstwerdung proklamiert wurde.
Diese Feldversuche wären somit ein Vorgriff auf die Aufgaben, die dem Syndikalismus in der revolutionierten Gesellschaft zufallen und von Rocker folgendermaßen formuliert wurden:
»1. Organisation der gesamten Produktion durch Föderation der industriellen Vereinigungen.
2. Organisierung der gesellschaftlichen Verteilung durch die Föderation der freien Produzenten.«
In diesem Zusammenhang wäre es spannend zu prüfen, inwieweit die von den sogenannten Autonomen vertretenen Konzepte von Selbstorganisation und Selbstverwaltung mit den hier angestellten Überlegungen konform gehen. Abermals im Anklang auf Rockers Bündnisforderung wäre es zumindest wichtig, auszuloten, wo eventuelle Überschneidungen oder Abgrenzungen bestehen.
Abschließen wollen wir die vorangegangenen Überlegungen mit den Enthusiasmus abdämpfenden Äußerungen von Gerd Kern, seinerseits selbst ein langjähriger Kommunarde. Er verweist in seinem Beitrag über Selbstverwaltung für das »Lexikon der Anarchie« auf die Gefahr, daß Selbstverwaltung in der kapitalistischen Gesellschaft schnell zum Lückenbüßer verkommen kann, z.B. durch Entlastung der prekären Arbeitsmarktlage für potentielle StörerInnen. Er warnt: »Wer die Selbstverwaltung zu enthusiastisch propagandiert ohne auch ihre Grenzen deutlich zu machen, schadet unter Umständen der anarchistischen Bewegung mehr als er ihr dient.«
Ein weiterer Ansatz wäre die eventuelle Kooperation mit den genossenschaftlichen Bewegungen, was neben Rockers Bündnisforderung auch den Forderungen Helmut Rüdigers entsprechen würde, der 1949 in einem Artikel zur Revision des Anarchosyndikalismus auf die Ergänzung des Syndikalismus durch genossenschaftliche und kooperative Elemente drängte.
Die selben Argumentationsstränge, die für eine Symbiose von ökonomischen Kampf und der einbeziehenden Förderung von Kommuneprojekten spricht, finden sich auch hier wieder. Doch die Gegenargumente, wie sie auch gegen zuvoriges sprechen, wiegen hier noch einiges schwerer. Dies ergibt sich daraus, dass Genossenschaften noch stärker als Kommunen an marktwirtschaftliche Verhältnisse angepasst sind und emanzipatorische Züge nur im internen Verhältnis aufweisen können.
Ein Beispiel für ein interessantes und florierendes Genossenschaftsprojekt wäre der 1983 ins Leben gerufene »Werkhof« in Darmstadt, der sich folgende zentrale betriebliche Ziele gesetzt hat:
1] Schaffung von betrieblichen Mitbestimmungsstrukturen;
2] gleichberechtigtes Arbeiten [ohne Chef] in gesellschaftlichen notwendigen Bereichen, wie z.B. berufliche Bildung von arbeitslosen Jugendlichen, solidarische [technische] Unterstützung von Emanzipationsprozessen [z.B. in Nicaragua], Einbeziehung von Projekten der Umwelttechnik;
3] »Neutralisierung der Produktionsmittel« im gem. e.V., d.h. Herausnahme aus dem individuellen Privateigentum;
4] Abschaffung von individuell-privater Profiterzielung.
Dies sind Ziele, die sehr wohl Affinitäten mit dem Anarchosyndikalismus vorzuweisen haben, was die Vorstellungen von Organisierung der Arbeit und Arbeitsverhältnisse betrifft. Aber als gesamter Komplex muss sich das Genossenschaftsprojekt unter kapitalistischen Kriterien verkaufen, um bestehen zu können, da im wesentlichen zunächst die Frage der Rentabilität im Vordergrund steht.
Ferner untermauert das Beispiel des Werkhofes hinsichtlich seiner Ambitionen, Prekäre wie arbeitlose Jugendliche zu integrieren, einmal mehr Gerd Kerns kritische Anmerkungen, dass solche selbstverwaltete Körperschaften innerhalb des bestehenden Systems sich nicht nur bequem einrichten, sondern sogar systemstützende Funktionen übernehmen, da sie z.B. als sozialstaatliche Ergänzung dienen, wenn die staatliche soziale Sicherung versagt.
Andererseits würde eine rein auf letzter Argumentation beruhende Ablehnung indirekt nichts anderes als eine Art Verelendungstheorie darstellen.
Unter ähnlichen Gesichtspunkten, sollte auch versucht werden, zu prüfen, wie sich andere Konzepte der Alternativökonomie wie z.B. Tauschringe und Umsonstläden integrieren lassen.
Wir nehmen nun den zweiten Abschnitt möglicher Perspektiven ins Visier, der allgemeine organisatorische Aspekte betrifft.
Aus der ökonomische Seite des Kampfes, auf den manche den Syndikalismus oftmals reduzieren wollen, ergibt und ergab sich in der Geschichte häufig die Problematik, wie sie einst von Errico Malatesta formuliert wurde. In seinem Artikel für die »Umanità Nova«, schrieb er 1922, als er abermals darauf einging, dass der Syndikalismus sich nicht selbst genügen kann, folgendes:
»Wir dagegen meinen, dass der ökonomische Kampf im Kapitalismus seiner Natur nach zur Spaltung des Proletariats in rivalisierende Fraktionen führt, von denen es einigen gelingt, sich das Monopol der besser bezahlten Arbeit zu sichern, während die anderen – der Großteil – weiterhin im Elend leben und ständiger Arbeitslosigkeit, Knechtschaft und Hunger ausgesetzt sind. Die führt schließlich dazu, dass das Regime sich konsolidiert, indem es eine große Anzahl der aktivsten und intelligentesten Arbeiter als Komplizen gewinnt: diese werden quasi unbewußt konservativ, aus Angst, die privilegierte Position aufs Spiel zu setzen, die sie durch oft langandauernde und große Opfer errungen haben. Und solange man auf rein ökonomischem Terrain bleibt, kann dies nicht verhindern, ja nicht einmal mißbilligt werden.«
Diese Problematik der Spaltungen wurde u.a. auch von den Wobblies in den USA aufgegriffen, die Spaltungen der Arbeiterklasse nicht nur auf integrale Mechanismen des kapitalistischen Systems zurückführten – wie wir es zu Beginn des Vortrags erläutert haben -, sondern auch auf die vorherrschende gewerkschaftliche und syndikalistische Strategie.
1917, als Betrand Russel sein »Wege zur Freiheit« schrieb, stellte sich die Situation in den USA so dar, dass die hauptsächliche Gewerkschaftsorganisation, die American Federation of Labor [AFL], ausschließlich Facharbeiter organisierte, die als Aristokratie der Arbeiter dazu tendierten, mit den Unternehmen gegen die große Masse ungelernter Einwanderer anzutreten. Russel zitiert in seinem Buch den politischen Theoretiker und Journalisten George Douglas Cole wie folgt:
»Es gibt jetzt in Amerika zwei Arbeiterklassen mit unterschiedlichem Lebensstandard, und beide sind gegenwärtig nahezu handlungsunfähig. Auch ist es für diese beiden Klassen unmöglich, sich zu vereinigen – oder gemeinsame Forderungen zur Geltung zu bringen. […] Die American Federation of Labor und die Industrial Workers of the World repräsentieren zwei verschiedene gewerkschaftliche Organisationsprinzipien, aber auch zwei verschiedene Klassen der Arbeiter.«
Daraus abgeleitet, formulierte die IWW quasi eine Zwei-Phasen-Strategie innerhalb ihres gesamten unionistischen Konzeptes. Die erste Phase nannte sie »Dual-Unionismus«, in der alle Kategorien der marginalisierten bzw. prekären Arbeiterschaft organisiert werden und durch Arbeitskämpfe auf das Level der bisherigen privilegierten Arbeiterschaft gehoben werden sollten. Dies betraf die Saison- und Wanderarbeiter im Süden und die große Maße des unqualifizierten Industrieproletariats sowie die Hausfrauen, deren Hausarbeit von der IWW als erster Abschnitt des gesellschaftlichen Fließbands interpretiert wurde.
Die zweite Phase stand für die angestrebte »One Big Union«, in der das gesamte Proletariat, nun handlungsfähig, aufgrund der Abstinenz von Antagonismen, im Schulterschluss agieren sollte.
Es steht wohl außer Frage, dass heute ebenso Spaltungsmechanismen auf die Arbeiterklasse einwirken. Diese zu erkennen und zu beantworten, sollte Kalkül einer syndikalistischen Bewegung sein. Im folgenden nennen wir hier ein paar besonders auffällige Beispiele von Antagonismen innerhalb der Arbeiterschaft.
Zunächst einmal lässt sich in der heutigen Ökonomie eine strukturelle Erwerbslosigkeit hohen Grades feststellen, was selbstverständlich Auswirkungen auf die Lohnverhältnisse hat, z.B. bedingt durch die Angst der Festangestellten, in diesen Status abzurutschen. Unternehmer sind somit in der Lage, die Löhne effizient zu drücken und eine generelle Entsolidarisierung unter den Arbeitern zu entfachen und zu verstärken. Diese Strategien sind nicht neu und charakterisierten schon früher das Verhältnis von sogenannter »industriellen Reservearmee« zu Arbeitern in einer festen Stelle.
Doch nicht nur die Erwerbslosen werden gegen die Festangestellten ausgespielt, sondern allgemein jeder prekär Beschäftigte oder gar schwarz Beschäftigte. Das Beispiel der Studierenden zeigt anschaulich, dass z.B. in Callcentern und anderen typischen Arbeitsmöglichkeiten für Prekäre, diese Beschäftigten, die in der Regel dazu verdienen wollen, als Damoklesschwert über den Köpfen von Festangestellten verwendet werden. Festangestellte, die in der Regel mit solchen Arbeiten ihren Lebensunterhalten bestreiten und existentiell darauf angewiesen sind, werden dadurch auf das Lohnniveau der Prekären verwiesen. Wie es ein Artikel im Fachblatt für Arbeiterkämpfe, die Wildcat, treffend bemerkte, »ist in der gegenwärtig vonstattengehenden Prekarisierung der Hunger des Kapitals zu erkennen, der auf die Wiederherstellung einer industriellen Reservearmee im klassischen Sinne zielt«.
Weitere Ausführungen über die Funktion von illegalen Arbeitern können aus solchen Fallbeispielen abgeleitet werden.
Was die Wobblies bezüglich der Hausarbeit von Frauen bemerkten, hat mit Sicherheit bis heute seine Gültigkeit behalten.
Daraus lässt sich ableiten, dass die Einbindung marginalisierter Gruppen große Aufmerksamkeit im Rahmen der gewerkschaftlichen Tätigkeit verdient.
Durch die spezifischen Entwicklungen in der globalen Ökonomie lässt sich die Problematik jedoch nicht mehr auf die nationalstaatliche Ebene reduzieren. Betrachtet man z.B. die Debatte um den »Standort« wird deutlich, dass der globale Kapitalismus nun in der Lage ist, ganze nationale Arbeiterschaften gegeneinander auszuspielen. Durch die Erpressung der Unternehmer, ihre Produktion zu verlagern, lassen sich die diversen Arbeiterschaften, angesichts eines drohenden Arbeitsplatzverlustes, darauf ein, niedrige Lohnverhältnisse und generell schlechte Arbeitsbedingungen zu akzeptieren.
Eine adäquate Antwort können deshalb aus syndikalistischer Sicht nur eine globale Organisierung und gemeinsame Arbeitskämpfe sein. Die bisherige IAA zeigte sich bis dato noch nicht dazu in der Lage, ist sie doch mehr oder minder nur eine symbolische internationale Föderation und im wesentlichen nur eine Ideengemeinschaft, während ihre Sektionen mit ihren praktischen Kämpfen in der Regel nur auf nationaler Ebene operieren.
Allgemein lässt sich sagen, dass der Internationalismus im Kontext gewerkschaftlicher Kämpfe in der Regel stets auf ein ideelles Moment beschränkt blieb und ein praktischer Internationalismus eher ein Ausnahmefall darstellt.
Diese Ausnahme bildet z.B. die International Transportworkers Federation [kurz ITF], die sich in ihrer Geschichte bis in die 40er Jahre durch einige erfolgreiche internationale Arbeitskämpfe hervorgetan hat. Die Arbeiter in den Transportsektoren nehmen in dieser Hinsicht bis heute eine Vorbildfunktion ein. Es sei z.B. auf die australischen Dockarbeiter verwiesen, die vor zwei, drei [?] Jahren ihre streikenden Kollegen in den USA unterstützen, indem sie sich weigerten, amerikanische Schiffe zu be- oder entladen. Auch bei diversen Kriegen in den letzten Jahren, zeichneten sich zum Beispiel Transportarbeiter in Italien, Griechenland und Großbritannien dadurch aus, die Verfrachtung von kriegsrelevantem Material zu verweigern.
Ein syndikalistischer Kampf auf internationaler Ebene anstelle der bisher parallel laufenden nationalen Kämpfe ist heute mehr denn je die einzige Möglichkeit, den Bedingungen des globalisierten Kapitalismus entgegenzutreten. Diese neue Herausforderung beinhaltet jedoch eine große Chance für den revolutionären Syndikalismus, da die konventionellen Gewerkschaften sich vielmehr einem nationalen Projekt verschrieben haben und nur bereit sind, die Interessen der heimischen Arbeiterschaft zu vertreten. Auch die zur Zeit wahrzunehmende »Internationalisierung« der Gewerkschaften auf europäischer Ebene stellt dabei nicht mehr als ein Teil des neudefinierten »nationalen Projekts« namens Europa dar.
Bevor wir zu einem abschließenden Fazit kommen, um zur Diskussion überzuleiten, wollen wir noch Beispiele alternativer Gewerkschaftsorganisierung zur Sprache bringen, die teilweise in Konkurrenz zu anarchosyndikalistischen Strukturen stehen
Die Comitati di base [kurz Cobas] in Italien stellen solch einen gewerkschaftlichen Ansatz dar. Die Konföderation versteht sich als politische, gewerkschaftliche und kulturelle Macht. Dabei lehnt sie die traditionellen Gewerkschaften ab, weil diese sich nicht mit ihrem Konzept der Verbindung von politischem und gewerkschaftlichen Kampf vertragen. Anfänglich setzte sie sich vorrangig aus Zeitarbeitern, Fabrikarbeitern und Arbeitslosen zusammen, bis sie sich mit anderen gewerkschaftlichen Basisgruppen im März 1999 föderierten. Die Kernprinzipien der Organisation lauten, dass sie die Selbstorganisation und die Überwindung der Kultur der Passivität zu verwirklichen trachtet. Interessant ist, dass die Cobas wesentlich attraktiver wirkt auf große Teile der italienischen Anarchisten, wie z.B. aus der Anarchistischen Föderation Italiens [kurz FAI], als die anarchosyndikalistische USI.
Einen anderen, jedoch fragwürdigeren, Ansatz präsentiert Beverly Sylver in ihrem neuen Buch »Forces of Labour«. Ein Beispiel betrifft Dienstleistungsarbeiter in den USA, die sich eigentlich nicht klassischerweise an ihrem Arbeitsplatz organisieren können, da sie über Subunternehmen verstreut beschäftigt sind. Deshalb haben sie die Community als Organisationsebene und als Gegner nicht ihren direkten Ausbeuter, sondern dessen Kunden gewählt. Dabei stützen sie sich auf lokale Netzwerke und Initiativen, die sich mit für sie relevanten Themen beschäftigen. Im Vordergrund stehen dabei Themen wie z.B. Rassismus- und Genderfragen, die aufgrund der heterogenen Zusammensetzung des Dienstleistungsproletariat für sie von Bedeutung sind.
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Die von uns hier vorgetragenen Aspekte wollen wir nun zur Diskussion stellen, aber vorher noch ein kleines Fazit ziehen, das selbstverständlich ebenfalls zur Diskussion stehen wird.
Aus den angestellten Überlegungen ergeben sich für uns zwei zentrale Thesen, hinsichtlich dessen, was der »Am-arsch«syndikalismus leisten muss, um wieder eine treibende Kraft zu werden.
1. Der Syndikalismus kann weniger denn je eine vollständig eigenständige Bewegung sein, sondern muss sich im Tageskampf – wie bisher – als Mittel zur konkreten Lebensverbesserung begreifen, während die revolutionäre Perspektive des Syndikalismus als ökonomisches Element einer freien bzw. anarchistischen Gesellschaft deutlich mehr Gewicht erhalten muss. Eine engere Anbindung an den Anarchismus und andere libertäre Bewegungen, die das Fundament der revolutionären Perspektive bilden, ist dringend nötig, da er sich nicht selbst genügen kann.
2. Unter den gegebenen sozioökonomischen Umständen verliert der rein [!!] ökonomische Kampf an Relevanz. Deshalb ist eine verhältnismäßige Relevanzverlagerung vom gewerkschaftlichen Kampf hin zur revolutionären, voluntaristischen Aktivität von nöten, jedoch nicht ohne den ökonomischen Kampf die Bedeutung [immer noch eine GROOOOßE] beizumessen, die ihm gebührt – was ansonsten eine Negierung des Klassenkampfes und der Unerträglichkeit gegenwärtiger Lohn- und Arbeitsverhältnisse bedeuten würde. D.h. konkret, die Selbstorganisation und Selbstbestimmung in allen Lebensbereichen voranzutreiben, zu stärken, zu leben und nicht wie bisher die Selbstorganisation nur auf eine gewerkschaftliche Organisierung zu reduzieren sowie als Angelegenheit zu begreifen, die der künftigen Gesellschaft vorbehalten wäre. Dies stellt nämlich eine Theorie der Enthaltsamkeit dar und kommt der christlichen Konzeption des jenseitigen Paradieses gleich.
Kurz gesagt: Weg von der Eingleisigkeit gewerkschaftlichen Arbeitskampfes, hin zu einer Doppelstrategie von gewerkschaftlichen und Aufbau alternativer Sozialstrukturen.