Sich Mackay anzunähern heisst heute auch sich bei einem (fast) vergessenem Literaten zu beschäftigen.
* Einem Autor, der als einer der wichtigsten Vertreter des Naturalismus in die Literaturgeschichte eingegangen ist und damals zeitweilig beim Fischer-Verlag unter Vertrag stand. Dessen Roman Der Schwimmer das Genre des Sportromans in Deutschland begründete.
* Einem individualistischen Anarchisten, der den Anarcho-kommunist_en ihren Anarchismus absprach und dessen Sittengemälde Die Anarchisten ein Bestseller unter anarchistischen Arbeiter_innen war. Es ist auch jener Anarchist, der die Fremdzuschreibung Max Stirners zum Anarchismus als erster bejahte und ihn scheinbar aus der geistesgeschichtlichen Versenkung holte
* Einem homosexuellen Aktivisten, der mit dem Wissenschaftlich-Humanistischen Komitee in Kontakt stand und für Adolf Brandes‘ 1896 gegründete Zeitschrift Der Eigene schrieb. Unvergessen sind auch seine, unter dem Pseudonym Sagitta (= der Pfeil) verfassten Bücher der namenlosen Liebe, die damals als ein Verstoß gegen die Sittlichkeit galten und zeitweilig verboten wurden.
Es handelt sich hierbei um drei Facetten seiner Persönlichkeit, die er selber von einander versuchte zu trennen – gerade in Bezug auf negative Auswirkungen beim Bekanntwerden seiner Homosexualität auf seine anarchistische Propagandatätigkeit war er besorgt. Er ist nicht wie
Jahrzehnte später ein Daniel Guérin, der anarchistische Positionen und den Kampf um homosexuelle Befreiung Hand in Hand führte, sondern der es voneinander trennte.
Wo beginnt man bei einem Vortrag über einen solchen Menschen?
Ich möchte mit dem Namen des 1864 in Schottland Geborenen beginnen – und zwar mit einer Erinnerung von Erich Mühsam. […]
„Der Dichter des ‚Sturm‘ und des sozialen Sittengemäldes „Die Anarchisten“ passte empfindlich auf, dass in seiner Gegenwart keine gesellschaftliche Form verletzt würde, kleidete sich in sorgfältig durchdachter Unauffälligkeit, verhielt sich in jeder Situation pedantisch korrekt, wurde aber sehr spitz, wenn jemand etwa den Fauxpas beging, den deutschen Dichternamen Mackay nach seiner schottischen Herkunft auszusprechen: „Mac-kei!, wenn ich bitten darf.““ […]
Aber ist die Aussprache seines Namens wichtig? Mackay selber äußerte sich etwas pathetisch in seiner autobiographischen Schrift Abrechnung mit dem folgenden Gedicht.
Mein Name
Werft meinen Namen nicht in das Gedränge
Der Tage, die die bessere Zukunft rügt.
Denn er versinkt in ihr. Er wird der Menge
Der anderen Namen schwer nur eingefügt.
Und einsam steht er. Wo er immer stehe
Er findet keinen Platz im Zeitenbuch
Die Zukunft, die ich langsam nahen sehe,
Schreibt an den rechten Ort ihn früh genug.
Ist die Lebensgeschichte eines im Schulsystem Gescheiterten Mannes, der seine Lehre als Verlagsbuchhändler in Stuttgart abbricht und in Berlin zu einem gefeierten Autor, der im legendären Friedrichshagener Dichterkreis um die Gebrüder Hart verkehrt und der im Rahmen eines Besuchs in Paris sich seine Homosexualität eingesteht – in einer Zeit, wo der Paragraph 175 gilt und männlich-männlicher Geschlechtsverkehr mit Zoophilie, d.h. dem Verkehr mit Tieren gleichgesetzt wird, von Relevanz? Seine Bekanntschaften mit anderen Literat_innen und Geistesgrößen seiner Zeit – nicht zuletzt mit Rudolf Steiner, bei dessen Hochzeit er als Trauzeuge fungiert? Ich glaube nicht.
Stattdessen möchte ich einem Diktum Friedrich Nietzsches folgend, dass der Autor zu schweigen hat, wenn sein Werk spricht, mich auf das Werk und Wirken fokussieren. Selbst diese Beschränkung kann nur mit dem Mut zur Lücke von statten gehen – und bietet euch hoffentlich einen Anreiz sich näher mit zu beschäftigen und jenen adretten Herrn
wiederzuentdecken.
Beginnen wir mit dem Literaten – und Übersetzer. Mackay hat viele Gedichte, Kurzgeschichten und Romane verfasst – ohne ein belangloser Vielschreiber zu sein. Dabei gilt es erst einmal zu unterscheiden, was er unter seinem Namen und was er als Sagitta veröffentlichte. Um einen Eindruck von seiner Prosa zu bekommen, möchte ich aus Der Schwimmer eine kurze Passage lesen.
„Die Meisterschaft der kurzen Strecke für Berlin hatte Franz Felders Namen mit einem Schlage bekanntgemacht. Jetzt konnte im Klub kaum mehr darüber gestritten werden, wer zu den nächsten Schwimm-konkurrenzen entsandt werden sollte; es handelte sich nur noch darum, an welchen Schwimmen er sich beteiligen konnte, und bei welchen es besser war, von einer Beteiligung noch abzusehen. Das galt natürlich in erster Linie bei den langen Strecken, für die es im Klub kein Mitglied gab, das sich mit den Meistern dieser Jahre über sie hätte messen können. Aber man konnte sich nach dem unverhofften Triumphe seines jungen Mitgliedes jetzt nicht mehr zurückziehen, um so weniger, als man neben Felder einen ausgezeichneten Springer, Grafenberger,
herangebildet hatte, der sich auf dem Bundesschwimmen einen zweiten Preis geholt, und auf den man als Springer ebensolche Hoffnungen zu setzen begann, wie auf Felder als Schwimmer.So war der alte Schwimmklub Berlin von 1879 mit einem Schlage wieder in den Vordergrund des Interesses getreten, und seine alten Mitglieder sahen wohl ein, daß sie dem Drängen der jüngeren
nicht länger widerstreben durften und konnten, sondern verpflichtet waren, das Eisen zu schmieden, das wieder zu glühen begann.“
Er schrieb aber auch naturalistische Lyrik und Gedichte. Letztere erschien in der Sammlung Sturm. Hieraus möchte ich auch ein Beispiel zitieren.
Die Knechtin
Sie war die Sklavin ihres Mannes und ihrer Kinder all ihr Leben.
Sie sollte sich als Opfer geben und konnte sich nicht freudig geben,
Weil sie ein Recht zu eigenem Leben – gleich jenen – auch im Inneren fühlte,
Das erste der Tage Sorgen und der Kummer von ihr spülte.
Es hatte ihr so gar natürlich , so menschlich einst auch ihr geklungen:
„Dein ist dein Leben! – Aber Alles ward in das Joch der Pflicht gezwungen.
Ihr Mann beherrschte sie brutal-gewaltsam; und die eigenen Kinder,
Nun, sie beherrschten sie – zwar anders – jedoch von Tag zu Tag nicht minder-
– Und als ihr Mann endlich gestorben und ihre Kinder groß geworden,
Und sie verlassen stand an ihres verlorenen Lebens fremder Borden, Da kam ihr der Gedanke wieder, der immer, immer unterjochte.
Und – seltsam! – stetig stark und stärker an ihrer müden Stirn er pochte:
Es wäre doch vielleicht gerechter, sicher menschlicher gewesen
Du hättest dir ein eigenes Leben zu eigenem Glücke einst erlesen….
Gedichte wie dieses machten ihn anknüpfungsfähig für den feministischen Diskurs seiner Zeit. Die Lektüre seiner Werke gehörte in der (bürgerlichen) Frauenbewegung zum Kanon. Dabei zeigte er durchaus – wie auch Erich Mühsam – gelegentlich mysogene Züge. In seiner Novelle Menschen der Ehe unterstellte er Frauen eine verminderte Intelligenz.
Seine Romane waren auf jeden Fall zeitweilig Bestseller und wurden auch partiell in der DDR rezipiert. In einem DDR-Sammelband zu „Naturalismus“ heißt es über ihn: „1890 vollzog Mackay durch seine Wiederentdeckung des Philosophen Max Stirner eine Wiederentdeckung des Philosophen Max Stirner eine Wendung zum Anarchismus, die ihm die Möglichkeit künstlerischer Weiterentwicklung verbaute. Sein Schaffen in den neunziger Jahren ist deshalb gekennzeichnet durch eine Vermischung sozialer Thematik – die Befreiung der Frau einbegriffen – mit anarchistischen Gedankengut.“
Das naturalistische Werk ist dabei kaum von seinem Anarchismus zu trennen. Das zeigt sich z.B. in der Gedichtsammlung „Der Sturm“, aus dem z.B. das folgende Gedicht Anarchie stammt.
Anarchie
Immer geschmäht, verflucht – verstanden nie,
Bist du das Schreckbild dieser Zeit geworden…
Auflösung aller Ordnung, rufen sie,
Seist du und Kampf und nimmerendend Morden.
O laß sie schrei’n! – Ihnen, die nie begehrt,
Die Wahrheit hinter einem Wort zu finden,
Ist auch des Wortes rechter Sinn verwehrt,
Sie werden Blinde bleiben unter Blinden.
Du aber, Wort, so klar, so stark, so rein,
Das alles sagt, wonach ich ruhlos trachte,
Ich gebe dich der Zukunft! – Sie ist dein,
Wenn jeder endlich zu sich selbst erwachte.
Kommt sie im Sonnenblick – Im Sturmgebrüll?
Ich weiß es nicht… doch sie erscheint auf Erden! –
„Ich bin ein Anarchist!“ „Warum?“ „Ich will
Nicht herrschen, aber auch beherrscht nicht werden!“
Jenes Gedicht dürfte auch weit über die individualanarchistischen Kreise hinaus bekannt sein. Es wurde von dem deutschen Anarcho-Syndikalisten Augustin Souchy im Rahmen eines Interviews mit dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel rezitiert und abgedruckt.
Mackay ist und war trotz aller – z.T. berechtigten – Kritik am kommunistischen Anarchismus eine wichtige Ressource für den sozialanarchistischen Diskurs. Sein Roman Die Anarchisten, der in den
Kreisen der jüdisch-anarchistischen Bewegung in London im ausgehenden 19. Jahrhundert angesiedelt ist, ist ein beredetes Beispiel hiervon. Rudolf Rocker schrieb später über die Bedeutung jenes Romans in seiner Broschüre Anarchismus und Organisation (1921):
„Im Jahre 1891 erschien John Henry Mackays bekannter Roman „Die Anarchisten“ in Zürich. Das Buch erregte in den anarchistischen Kreisen Deutschlands großes Aufsehen, obwohl die theoretische Basis desselben äußerst schwach und sehr anfechtbar war. Es entstanden endlose Auseinandersetzungen in den Gruppenversammlungen und Diskussionsabenden über die Frage: kommunistischer oder individualistischer Anarchismus, und nicht wenige kamen zu der
Überzeugung, dass der sogenannte Individualismus die eigentlichen Ideengänge des Anarchismus in sich verkörpere. Manche folgten Mackay sogar so weit, dass sie der kommunistischen Richtung
überhaupt das Recht absprachen, sich anarchistisch zu nennen.“
Mackay behandelte in jenem Rahmen auch die Vorkommnisse des Jahres 1886 in Chicago, d.h. den Ursprung des heutigen 1. Mais, dem Fall der „Märtyrer von Chicago“. Dabei geht es ihm vor allem
um die Frage der Gewalt, die zu jener Zeit ein großes Thema in der Bewegung ist – nicht zuletzt durch Johann Most vertreten, der die revolutionäre Gewalt unverhohlen bejaht und eine Revolutionäre Kriegswissenschaft, d.h. einen Vorläufer des Anarchist Cookbooks verfasst hat. In einer Art ideengeschichtlicher Fortsetzung jenes Romans – Der Freiheitssucher – definiert er sein Verständnis von Anarchismus erneut und ausführlicher:
„Der Anarchismus will die Abwesenheit aller Herrschaft, welche – auch wenn sie die ‚Klassenherrschaft‘ aufhebt – die Menschen unabweisbar in die beiden großen Klassen der Ausbeuter und Ausgebeuteten scheidet. Alle Herrschaft gründet sich auf Gewalt. Wo immer aber Gewalt ist, da ist Ungerechtigkeit. Gerecht allein ist die Freiheit: die Abwesenheit aller Gewalt und allen Zwangs. Ihre Basis wird gebildet durch die Gleichheit der Bedingungen für alle Menschen.
Auf dieser Grundlage gleicher Lebensbedingungen das freie, unabhängige, souveräne Individuum, dessen einzige Forderung an die Gesellschaft in der Respektierung seiner Freiheit besteht und
dessen einziges selbstgegegebenes Gesetz die Respektierung der Freiheit der anderen ist – das ist das Ideal der Anarchie.“
Er propagiert aber nicht nur mit seinen Romane sondern gibt bei dem Verleger Bernhard Zack, der später auf Süßwaren umsattelte, eine Broschürenreihe unter dem Titel Propaganda des individualistischen Anarchismus heraus. In dieser Reihe finden sich u.a. Texte von Pierre-Joseph Proudhon, Leo Tolstoi und seinem amerikanischen Freund Benjamin R. Tucker. Bei Zack veröffentlichte er auch seine homoerotische Literatur, die zu mehreren Verfahren gegen den
Verleger führten – bis dieser schliesslich dem staatlichen Druck beugt und von weiteren Veröffentlichungen absieht.
Ebenso entdeckt Mackay – nach eigenen Angaben – Max Stirner wieder, bringt dessen Werk erneut heraus und verfasst in Absprache mit Max Nettlau eine bis heute als Standard geltende Biographie von ihm. [Nettlau soll diese Absprache später bereut haben…] Mackay widmet Stirner auch das folgende Gedicht:
An Max Stirner
Nichts fiel aus Deinen Händen,
Als dieses eine Buch –
O Rebe an Sonnengeländen,
Die solche Traube trug!
Ich schaue von den Blättern
In meine Zeit umher:
Sie schreien wild nach Rettern,
Sich – kennen sie nicht nicht mehr.
Sie haben dich gescholten,
Die dich verstanden nie.
Du hast es ihnen vergolten:
Du hast – ergründet sie!
Erkennen ist mehr als Verachten
Ihm ward die Welt ein Spiel,
Dem, bei lächelndem Betrachten
Der letzte Schleier fiel.
Die Menschheit will belogen
Und frech betrogen sein –
Du hast sie nicht betrogen,
Du warst so einzig dein….
O Genius, den sein Jahrhundert
Nie in die Arme schloß:
Der bekannt nie, nie bewundert
Ward von seinem Troß;
Der nie ‚sich selber bezwungen‘,
Nein, der die anderen bezwang:
Der nie – ‚den Bruder umschlungen‘ –
Am Becher der Lüge trank;
Der himmelhoch überragend
Die belächenswerte Welt,
Einsam seine Schlachten schlagend
Sich auf sich selber gestellt,
O Genius hinabgesunken,
Wärst du in das Schweigen der Nacht?
Nein – meine Lippe getrunken
Hat sie – ich bin erwacht!
Unsterblicher! Schaudernd begrüße
Ich dich aus der Nacht um mich her –
Ich suche die Spur deiner Füße
Und finde sie nicht mehr….
Was tatest du denn, Vermessener!
Du warst dein eigener Gott!
O ich liebe dich, du Vergessener!
Was kümmert mich Wut und was Spott! –
Und ich sehe dich, wie du beiseite
Die schreiende Menge schobst
Und dann dich in die Weite
Auf Adlerschwingen hobst –
Wie ich schon eingangs sagte, trennte er von jener politischen Tätigkeit sein Bekenntnis zur Homosexualität – oder besser zur „namenlosen Liebe“ ab, weil er Angst hatte, dass es der politischen Propagandatätigkeit schaden würde. Ein Aspekt anarchistischer Homophobie in jener Zeit, den es noch gilt in anarchistischen Kreisen aufzuarbeiten….
Als „Erweckungserlebnis“ bzw., weniger pathetisch ausgedrückt, als „coming-out“ beschreibt Mackay als Sagitta in Fenny Skaller, dass ihm ein junger Zeitungsverkäufer eine Fotographie von sich schenkt. Dabei muss sicherlich aus heutiger Sicht kritisch angemerkt werden, dass Mackay eine Vorliebe für sehr junge Männer hatte und auch als Freier wiederholt sein Glück suchte. Eine seiner Geschichten der namenlosen Liebe ist eine Art Liebesgeständnis eines Freiers an einen Stricher bzw.“ Pupenjunge“ – die Veröffentlichung unter dem Titel Puppenjunge ist wohl auf einen Tippfehler zurückzuführen – genannt. Mir scheint es als Quelle für die Auseinandersetzung mit männlicher Prostitution in Berlin zu jener Zeit sehr interessant zu sein; über den erotischen Gehalt
dessen maße ich mir hier kein Urteil an. Der Männerschwarm Verlag hat in den 1990er Jahren gemeinsam mit der in den 1970er wieder-gegründeten Mackay-Gesellschaft Die Bücher der namenlosen Liebe in einer bibliophilen Ausgabe noch einmal herausgebracht.
Die Formulierung „namenlose Liebe“ ist hierbei in zweifacher Hinsicht gewählt worden – einerseits benutzt Mackay den Begriff, weil die zu jener Zeit vorherrschenden Begriffe für Homosexualität allesamt negativ konnotiert waren (z.B. „Sodomie“), andererseits ist es natürlich auch eine Referenz auf die berühmte Gerichtsrede Oscar Wildes, in dem Verfahren, wo es um seine Homosexualität ging. Wilde benutzte damals die Formulierung: „eine Liebe, die keinen Namen hat“.
Zum Abschluss, bevor wir in ein gemeinsames Gespräch übergehen, möchte ich aus dem bereits erwähnten Fenny Skaller noch eine Passage rezitieren….
„Wo war sein Bild? –
Hier: die billige Photographie eines Vorstadtateliers, ganz verwischt und verbogen, aber doch noch erkennbar ein schelmisches Lächeln um den jungen Mund und die Mütze auf dem wirren Haar und die Matrosenbluse um den offenen Hals. „Georges, mon petit Georges!“ – unwillkürlich glitt über Skallers Lippen der Schmeichelname wieder, mit dem er ihn so unzählige Male geliebkost. In Paris hatte er ihn gefunden, an einer Straßenecke, wo er hungernd und frieren in seinem blauen, aber sorgfältig geflickten Kittel seine Zeitungen ausrief. Er kaufte sie bei ihm, sprach mit ihm ein paar Worte, beschenkte ihn. Er war seine einzige Freude. Er kannte Niemand in Paris. Er ging nie
an die Ecke ohne dass sein Herz klopfte. Er war ja noch so dumm und unerfahren, und glaubte immer noch, die ganze Welt verfolge ihn und diese kleine Liebe, und immer fürchtete er noch, ihn zu verlieren, wenn der kleine Gamin ahnte, wie er ihm gefiel. Wie dumm er noch gewesen war, damals….
Aber eines Abends trafen sie sich dort. Skaller noch ganz befangen innerlich, aber der kleine Franzose lustig und gesprächig: vor einem der kleinen Cafés an dem großen Place de la République, im Schatten der Häuser, an einem der gelben Tischchen von Blech. An diesem Abend erhielt er dies kleine Bild. Als sie sich schon verabschiedet und Skaller es wieder betrachtete, beim Scheine der Laterne, und es heimlich an die Lippen führte, stand der Junge wieder vor ihm mit seinem schelmischen, ein wenig spöttischen, aber so freundlichen Lächeln:
„Sie küssen mein kleines Bild, Monsieur? – Warum küssen Sie nicht lieber mich selbst?—“
Und heute? Was bleibt uns von jenem „Anarchisten der Liebe“, wie ihn Hubert Kennedy liebevoll in seiner Biographie benannte?
Für mich persönlich ist Mackay als ein Vertreter eines intellektuellen Anarchismus und natürlich – trotz mancher Differenzen in der Interpretation Max Stirners – seine „Propaganda“ für Stirner wichtig und von großem Interesse – und ich würde mir eine Renaissance der Mackay-Rezeption – unabhängig vom Zugang zu ihm und seinem Werk sei es literarisch, politisch oder von einer sexuellen Orientierung herkommend – wünschen. Als Autor erscheint er mir weiterhin sehr
lesenswert zu sein.
Vielen Dank.
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Der Autor hat auch den Beitrag über Mackay für das Handbuch Anarchismus von Thomas Friedrich
verfasst. Link zum Beitrag: https://link.springer.com/referenceworkentry/10.1007/978-3-658-
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