Datum/Zeit
Date(s) - 18/10/2019
19:00 - 21:00
Veranstaltungsort
Bibliothek der Freien im Haus der Demokratie
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„Freiheit und Glück!“ so grüßten sich Libertäre und Anarchisten früher, einige tun es heute noch. Was zur Freiheit gehört, haben wir uns schon in mehreren Veranstaltungen vergegenwärtigt, bei Marx und Bakunin, bei Moses Hess, bei Landauer und noch bei heutigen Vorkämpfern der Anarchie. Aber das Glück, lässt sich das ebenso einfach fassen? Lässt es sich definieren? Was gehört dazu, dass wir uns von Glück erfüllt nennen können? Was richtet das Glück mit uns und in uns an?
Wir müssen das Glück nicht zerfasern, aber sichtlich gibt es ein geistliches Glück: „Halleluja“ in den höchsten Tönen, und gibt ein bourgeoises Glück: gelungene Geschäfte und Gemütlichkeit, dazu schon seit Aristoteles (und noch verschärft seit der Stoa) „Selbstgenügsamkeit“. Worin aber bestünde das Glück der vielen heutigen Bewohner dieses Landes und anderer Länder? Gab es Zeiten, in denen es das schon mal gegeben hat? Wie sähe es heute aus, und zwar besonders das kollektive und soziale Glücklichsein? „Glück ist eine Art Mut“, wird einer Schriftstellerin namens Johnson zugeschrieben.
Da ich Philologe bin, liegt es mir nahe, in den Tresoren der schönen Literatur, sagen wir der letzten zwei Jahrhunderte, nachzusehen, wie noch nicht befreite, doch um ihre Befreiung kämpfende Menschen, Publizisten, Poeten sich eine glückliche Menschheit in einer glücklichen Welt vorgestellt haben. Von Büchner und Heine über die ausdauernden „Könige der Landstraßen“ der vorigen Jahrhundertwende, über Erich Mühsam, Oskar Maria Graf, Else Lasker-Schüler bis zu Jurek Becker und Fred Wander haben Literaten selbst in finsteren Zeiten ausgeschaut nach Zuständen haltbaren Glücks. Und haben sich, ihr Denken, ihre Künste eingesetzt, einen solchen Zustand herbeizuführen. Der befreiten Menschheit soll das Glück nicht einfach in den Schoß fallen – erst wenn sie sich definitiv dafür bereit macht, wenn sie ihre Gedanken, ihre Kunst und ihre Künste, ihre Alltagsbemühungen jeden Tag darauf richtet, kann sie hoffen, zusammen mit der Freiheit auch das Glück zu erringen. Intensiv bei sich sein kann Glück bedeuten, aber das haltbarste, das beglückteste Glück stellt sich erst ein, wenn wir es schaffen, es mit anderen zu teilen. „Ausgeteilet erfreut solch Gut, und getauschet, mit Fremden, / Wird’s ein Jubel“ (Hölderlin). Achten wir hier darauf, dass Hölderlin die „Fremden“ als die eigentlichen Adressaten und Tauschpartner des Glücks ansetzt. Seine Meinung ist, dass glückliche Zeiten die Differenz zwischen eigen und „fremd“ überhaupt zum Verschwinden bringen.
(Vortrag mit anschließender Diskussion)
Zwischenzeitlich wurde das Referat im Wortlaut veröffentlicht.